Zeitgenössische Philosophie
Bergson, Dewey und Whitehead
In seiner Einführung in die Metaphysik (1903) und in seinem Meisterwerk Kreative Evolution (1907) unterschied Bergson zwischen zwei zutiefst unterschiedlichen Arten des Wissens: der Methode der Analyse, die für die Wissenschaft charakteristisch ist, und der Methode der Intuition, einer Art intellektueller Sympathie, durch die es möglich ist, in Objekte und andere Personen einzutreten und sich mit ihnen zu identifizieren. Alle grundlegenden metaphysischen Wahrheiten, so Bergson, werden durch philosophische Intuition erfasst. Auf diese Weise lernt man sein tiefstes Selbst und die Essenz aller Lebewesen kennen, die er “Dauer” nannte, sowie den “vitalen Geist”, der die mysteriöse schöpferische Kraft der Welt ist.
Für Whitehead ist Philosophie in erster Linie Metaphysik oder “spekulative Philosophie”, die er als die Anstrengung beschrieb, “ein kohärentes, logisches, notwendiges System allgemeiner Ideen zu gestalten, anhand derer jedes Element unserer Erfahrung interpretiert werden kann.” Whiteheads Philosophie war also ein Versuch, die Welt mit einer großen Allgemeinheit des Verständnisses zu überblicken, ein Ziel, auf das seine große Trilogie — Wissenschaft und die moderne Welt (1925), Prozess und Realität (1929) und Abenteuer der Ideen (1933) — gerichtet war.
Während Bergson und Whitehead hauptsächlich Metaphysiker und Kulturphilosophen waren, war Dewey ein Generalist, der die Einheit, Wechselbeziehung und Organizität aller Formen philosophischen Wissens betonte. Er ist vor allem bemerkenswert für die Tatsache, dass seine Konzeption der Philosophie betonte so kraftvoll die Begriffe der Praktikabilität und moralischen Zweck. Eines der leitenden Ziele von Deweys Philosophieren war das Bestreben, für ethische und politische Urteile die gleiche berechtigte Durchsetzbarkeit zu finden wie für wissenschaftliche. Philosophie, sagte er, sollte sich nicht an beruflichem Stolz orientieren, sondern an menschlichen Bedürfnissen.
Deweys Herangehensweise an die sozialen Probleme des 20.Jahrhunderts betonte im Gegensatz zu der von Wladimir Lenin (1870-1924) nicht die Revolution, sondern die kontinuierliche Anwendung des Intellekts auf soziale Angelegenheiten. Er glaubte an soziale Planung – an bewusste intelligente Eingriffe, um wünschenswerte soziale Veränderungen herbeizuführen – und schlug einen neuen “Experimentalismus” als Leitfaden für aufgeklärtes öffentliches Handeln vor, um die Ziele einer demokratischen Gemeinschaft zu fördern. Seine pragmatische Sozialtheorie ist die erste große politische Philosophie der modernen liberalen Demokratie.